Krankheit und Heilungsgebet – eine Einladung zum Nachdenken

„Herr, siehe, den du lieb hast, der ist krank!“ Bei vielen Christen gehen die ersten Erfahrungen damit, dass Gott Wunder tut, auf das Hören von Kindergeschichten aus der Bibel zurück. Sie sind immer wieder fasziniert von den Berichten über Gottes übernatürliches Eingreifen im Leben anderer Menschen. In einer Zeit, in der Heilungsgottesdienste veranstaltet werden – in der die Lehre verbreitet wird, dass, wer wahrhaft glaube, nicht krank sein könne – in der die Glaubenstiefe an persönlichen Wundererlebnissen gemessen wird –, gilt es, darüber, was die Bibel über die Wunder Gottes lehrt, neu nachzudenken. Dabei erweist sich das Buch von Richard Mayhue: „Dein Glaube hat dich geheilt“ als eine hilfreiche Informationsquelle. Mayhue betont, dass es sich bei fast jeder in der Bibel beschriebenen Heilung um die Heilung einer organischen Krankheit handelt.

In der Medizin wird zwischen funktionalen und organischen Krankheiten unterschieden. Funktionale Krankheiten wären z.B. Bluthochdruck, Drogensucht, Rücken- oder Kopfschmerzen. Das Gewebe leidet unter einer Funktionsstörung, ohne dass es dabei zerstört wird. Organische Krankheiten hingegen weisen eine sichtbare Organ- oder Gewebeveränderung auf: Knochenbruch, Lähmung, Missbildung, Arterienverkalkung oder durchtrennte Nerven. Diese Schäden sind mit Hilfe medizinischer Mitteln (wie Röntgen) feststellbar. Um festzustellen, ob die Heilung einer Person tatsächlich dem übernatürlichen Wirken Gottes zugeschrieben werden kann, ist es notwendig, vor und nach der Heilung einen medizinischen Nachweis vorzulegen. Dies ist notwendig, da es auch die sogenannten „Spontan-“ oder „Selbstheilungen“ gibt. Dies ist ein Fachbegriff aus der Medizin, der inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Darunter wird die Besserung des Befindens eines Patienten oder dessen Heilung verstanden, die nicht die Folge einer Heilmaßnahme ist. Im engeren Sinne sind damit Erkrankungen gemeint, bei denen gewöhnlich keine Spontanheilung möglich ist, vor allem im Fall von chronischen Erkrankungen und Krebs. Im Gegensatz zu Wunderheilungen, die den Naturgesetzen zu widersprechen scheinen, ist die Existenz medizinischer Spontanheilungen von der Schulmedizin anerkannt. Die wissenschaftliche Literatur verzeichnet seit ca. 1950 zunehmend Berichte über einzelne Spontanheilungen schwerer Erkrankungen. Derzeit beträgt die Summe ca. 30 Fälle pro Jahr. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Infektionen, Magen-Darm-Entzündungen und Diabetes.

Interessant ist, dass die durch Jesus Christus erfolgten Heilungen – sich sofort vollzogen, – hundertprozentig erfolgreich waren, – ohne eine lang andauernde Genesungszeit vonstatten gingen, – langfristig waren, – unabhängig von irgendeiner medizinischen Behandlung wirkten. Wunder bewirken nicht die Korrektur der Wirklichkeit, sondern dienen dem Glauben der Menschen. Wenn ein Wunder geschieht, dann nicht, weil Gott einsieht, dass die Wirklichkeit einer Änderung bedarf, sondern weil er Menschen zum Glauben führen und deren keimhaft vorhandenen Glauben stärken möchte. Deshalb sind Wunder, die Gott vollbringt, „Selbstoffenbarungen“. Gott zeigt exemplarisch, wer er ist und was er tut. Das wird besonders an den Wundern Jesu deutlich: – Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören (Matth. 11,5) – Jesus heilte jegliche Krankheit und jegliches Gebrechen (Matth. 9,35).14 – Er wandelte Wasser in Wein um und speiste 5.000 Männer mit fünf Broten und zwei Fischen (Mk. 6,38). – Er stillte den Sturm, der die Jünger bedrohte (Matth. 8,26), gebot über die Kräfte der Natur und ging über den See Genezareth (Matth. 14,25). – Er wusste, was die Menschen dachten, kannte ihre Gedanken und ihr Herz (Lk. 5,22). – Er erweckte Tote wieder zum Leben (Joh. 11,44) und stand nach seinem eigenen Tod drei Tage später zu neuem Leben auf (Matth. 28,7).

Zu den verschiedenen Wundertypen im Neuen Testament zählen also u.a. die Dämonenaustreibungen, Heilungs-, Speisungs- und Rettungswunder sowie Totenerweckungen. Oft wird Jesu Heilkraft in den Wundertexten mit dem Ausdruck dynamis – Kraft, Macht – wiedergegeben (Lk. 10,13). Diese bahnt den Weg zur Erkenntnis über Jesu wahre Identität (Mk. 8,27ff). In Jesu Eigenaussagen und der unmittelbaren Reaktion von Augenzeugen auf ein Wunder dominiert jedoch der Begriff exousia – Vollmacht –, der auf den Auftrag Jesu, so zu handeln, verweist (Mk. 1,27). Wohlgemerkt will Gott mit seinen Wundern niemanden, der nicht glauben möchte, von sich überzeugen. Wunder überzeugen nämlich in der Regel keinen, der sich dagegen wehrt. Auf der anderen Seite können sie aber denjenigen, der Gott ehrlich sucht, berühren. So stellen Wunder keine Korrekturen eines vergesslichen Gottes dar, sondern gelten als Liebesbeweise an den, der ihn lieben möchte.

Die Frage, ob Gott auch heute noch körperliche Krankheiten heilen kann, ist auf jeden Fall zu bejahen. Doch in Verantwortung vor Gott sollte der Kranke sich immer wieder fragen, wozu seine schwere Krankheit dient. Die Schrift kennt nämlich unterschiedliche Gründe dafür, weshalb ein bestimmter Mensch seine Gesundheit verliert:
– zur Erprobung des Glaubens (Hiob 2,4ff.),
– zur Offenbarung der Macht Gottes (Joh. 9,3),15
– um eine Umkehr zu bewirken (Lk. 13,2ff.),
– als stellvertretendes Leiden für andere (Kol. 1,24),
– zum vollmächtigen Zeugnis Christi unter Kranken und Gesunden (Joh. 5,14; 2. Kor. 12,9ff.).

Unter den jüdischen Rabbinern kannte man das sog. „Leiden der Liebe“, d.h. die liebevolle Erziehung Gottes. Dieses kann man auch als „Leid, das zur Umkehr führt“ oder „Leid, das Heil bringt“ bezeichnen. Jesus hat etwas zum Zweck von Krankheiten zu sagen. In Johannes 9 wird der Leidensursache des Blindgeborenen recht ausführlich nachgegangen. Auf die Frage: „Wer hat gesündigt, er oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“, gibt Jesus zur Antwort: „Die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.“ Gerade an diesem Blinden soll sich also zeigen, was Jesus im Namen des Vaters tut und bewirkt. Wie klein werden da alle menschlichen Mutmaßungen, die wir über Krankheit, Leiden usw. anstellen!

Zusätzlich hat Gott der Gemeinde in Jakobus 5,13-18 einen interessanten Hinweis in Bezug auf Heilungen gegeben. Der Abschnitt enthält keinen direkten Befehl, andere Menschen zu heilen. Vielmehr besteht er aus einer Anweisung, im Krankheitsfall zu beten, sowie der Verheißung auf Gottes heilende Kraft. Der Text ist deshalb von Bedeutung, weil diese Anweisung hier explizit nicht an die Bedingung einer Heilungsgabe gebunden wird, sondern an das Gemeindegebet. Im Falle einer körperlichen Krankheit soll der Kranke die Ältesten seiner Gemeinde zu sich rufen. Diese erfahrenen Beter und Seelsorger beten für bittend für ihn und salben ihn mit Öl. Mit der Salbung zeigen sie dem Kranken, dass er auch jetzt noch zur Gemeinschaft der christlichen Gemeinde gehört und Gott an ihm wirken will. Dies gilt selbst dann, wenn ein Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde besteht. Als Folgen dieses Vorgehens nennt Jakobus die Heilung der Krankheit, Wiederherstellung der Kraft und Sündenvergebung. Die Hoffnung auf körperliche Genesung wird deutlich gestärkt. Auf der geistlichen Ebene wird für den Fall, dass Sünden die Krankheit verursachen oder den Kranken und seine 16 Gemeinschaft mit den Brüdern belasten, gegenseitiges Sündenbekenntnis und Fürbitte angeordnet und Vergebung zugesagt. Da das geschilderte Vorgehen ganz auf der Wirksamkeit des Gebets beruht, ermutigt Jakobus zu vertrauensvollem Gebet, denn „viel vermag das Gebet!“

MERKE: Gott kann immer, überall und jeden Kranken von allen Krankheiten heilen – sofort und vollständig. Beter haben in den Gebetsstunden schon manche Wunder erlebt, bei denen Gott eingegriffen und Personen geheilt hat. Dabei ist die Gemeinde nicht auf sogenannte „Heiler“ angewiesen, sondern bezeugt vielmehr durch das Gebet ihre Abhängigkeit von Gott. Anschließend rühmt sie sein Werk in den Gebetsstunden und Gottesdiensten.

21. Juni 2023
H. Klassen

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